Skip to main content

„Da hängt ein Schild im Schaufenster …“

16. März 2021

Wer hätte damals gedacht, dass ein Schild einmal dafür sorgen wird, dass ein Kollege fast fünf Jahrzehnte bei uns bleiben würde? Die Rede ist von Hans-Jürgen-Kissel, inzwischen 62 Jahre jung und – bitte festhalten – seit mittlerweile 47,5 Jahren Teil des Weitblick Teams. Unser absolutes Urgestein hat also tatsächlich alle vier Generationen des Unternehmens persönlich erlebt. Hans-Jürgen ist bei uns der Head of Finance, wie man heute so schön sagt – vor gut einem halben Jahrhundert, als er seine Buchhalterlehre begann, hieß dieser Beruf sicherlich noch etwas anders.

Anders waren auch seine eigentlichen beruflichen Pläne, die er mit 15 Jahren hatte. „Ein kaufmännischer Beruf war anfangs gar nicht mein Wunsch. Ich wollte mehr etwas technisches machen“, erinnert sich Hans-Jürgen. Er bewarb sich also zuerst bei der Deutschen Bundesbahn im Limburg. „Aus dem Mechanikerberuf wurde aber leider nichts, da hat mir meine Hornhautverkrümmung einen Strich durch die Rechnung gemacht.“ Doch schnell bot sich eine neue Gelegenheit für eine Lehre.

Wie Hans-Jürgen erzählt, war sein Vater eines Tages in Frankfurt unterwegs, und dort fiel diesem etwas auf, das er seinem Sohn unbedingt mitteilen wollte: „Er sagte ‚Bub! In der Fahrgasse 89 in Frankfurt, da hängt ein Schild im Schaufenster, auf dem steht Lehrling gesucht. Da gehn mer hin!’ So gingen wir damals dann zusammen zum Vorstellungsgespräch bei der Firma Gottfried Schmidt.“ Man kann sich sicher vorstellen, wie spannend es seinerzeit für einen Jungen vom Lande gewesen sein muss, zum ersten Mal eine Großstadt wie Frankfurt zu sehen.

H.J. beim Vorstellungsgespräch in Frankfurt

Entsprechend spannend war für Hans-Jürgen dann auch das Vorstellungsgespräch. Als er davon erzählt, spürt man sofort, dass er sich noch daran erinnert, als sei es erst gestern gewesen: „Ich war sehr aufgeregt. Aber ich hatte das Glück, auf Wolfgang Schmidt zu treffen, der im Gespräch mit seiner beruhigenden Art fast schon eine väterliche Rolle übernommen hat.“ Der Fünfzehnjährige verlor nach und nach seine Angst und auch Schmidt schien begeistert von seinem Lehrlingskandidaten zu sein. „Er sagte: ‚Gut, Bub. Dann fängst du bei uns an’ und so ging das Ganze dann für mich in Frankfurt los.“

Tränengas, Wassermelonen und ‚Gottfrieds next Topmodel‘

Jeden Tag nahm der frischgebackene Lehrling fortan mindestens eineinhalb Stunden Arbeitsweg auf sich – so lange dauerte es nun mal, von seinem Heimatort Münster im Taunus bis zu in die Frankfurter Fahrgasse zu gelangen. Wir haben bei der Gelegenheit auch mal ausgerechnet, wie viele Kilometer Hans-Jürgen in seinen 47,5 Jahren bei Weitblick insgesamt an Kilometern Arbeitsweg zurückgelegt hat: es sind etwa rund 2,2 Millionen (!) Kilometer!

Hans-Jürgens Arbeitsweg war durchaus etwas länger, als er bei Weitblick als Lehrling anfing. Und da kann man so einiges erleben, wie man hört. „Frankfurt war ein heißes Pflaster und mein erstes Großstadterlebnis ließ nicht lange auf sich warten. Es muss etwa 1973 gewesen sein, da war ich gerade auf dem Weg von der Berufsschule in die Firma. Ich stieg an der U-Bahn-Station Hauptwache aus, lief die Treppen hoch und da stand ich dann plötzlich mitten im wilden Gedränge einer Demonstration.

Auf einen 15-jährigen Bub wirkt das natürlich ganz schön einschüchternd. Ich wollte eigentlich nur noch in die Firma und konnte mich irgendwie noch durch die Menschenmenge zwängen und an den Ladenfassaden auf der Zeil an den Leuten vorbeischlängeln. Ich habe zum Schluss zum Glück nur noch die Sprühnebel und nicht den vollen Strahl der Wasserwerfer abbekommen. Leider setzte die Polizei aber auch Tränengas ein – da hat es ein wenig gedauert, bis meine Augen davon wieder abgeschwollen waren.“

Hans-Jürgen lacht von ganzem Herzen, als er an viele lustige Ereignisse aus seiner Lehrzeit zurückdenkt. Etwa an den „Melonen-Vorfall“: „Unten in der Fahrgasse war ein kleiner Laden, in dem wir uns alle möglichen Dinge kaufen konnten. Ein Kollege brachte an einem Sommertag mal eine Wassermelone von dort mit. Und da stand er dann da im Flur. Als wir so dort standen, sagten wir zu ihm: ‚Los, schmeiß mal rüber!‘, aber irgendwie klang er skeptisch, als er sagte: ‚Ich kann doch nicht die Wassermelone rüberschmeißen!‘.

Wir haben ihn aber schnell davon überzeugen können, dass das schon ginge und wir sie ja fangen würden. Also warf er sie und wir warfen sie gleich wieder zurück. Ein Hin und Her. Das wurde dann immer sportlicher und der Abstand immer größer. Bis sie einer dann nicht mehr fangen konnte. Spektakulär geplatzt. Komplett über den Flur verteilt, Fruchtfleisch und Kerne liefen die Wand runter und lagen auf dem Teppich herum. Dummerweise wurde der Flur aber gerade erst renoviert. Und dann sollte auch noch bald der Chef aus der Mittagspause zurückkommen.“

Ob Hans-Jürgen selbst der glücklose Fänger oder doch der ungeschickte Werfer war, konnten wir an dieser Stelle zwar nicht herausfinden. Sicher war aber, dass die beteiligten Azubis an diesem Tag in ihrer Panik alle Putzrekorde gebrochen haben müssen, damit niemand sonst die Sauerei mitbekommt. „Das war schon eine lustige Zeit als Lehrling, man könnte einen ganzen Abend mit solchen Geschichten füllen“, fügt das Urgestein noch hinzu.

Ein paar Jahrzehnte später stellte Hans-Jürgen seine Qualitäten als „Gottfrieds Next Topmodel“ unter Beweis und posierte ab 1990 in verschiedenen Workwear-Kollektionen im Firmenkatalog. „Das waren schöne Zeiten, wir hatten eine Menge Shootings im Fotostudio und in der Firma, das Modeln hat mir viel Spaß gemacht und daran erinnere ich mich immer noch sehr gerne“, so der fotogene Buchhalter, der uns auf den Fotos stellenweise ein wenig an den legendären Detektiv „Magnum“ erinnert. Wenn das kein Naturtalent ist!

Unvergessliche Momente mit dem Team

Apropos Erinnerungen – als wir Hans-Jürgen fragen, welche Erlebnisse mit der Firma und dem Team ihm wohl ewig im Kopf bleiben werden, muss er nicht lange überlegen: „Das waren natürlich die vielen Ausflüge mit dem Team, unter anderem die schönen Rafting-Touren, wie zum Beispiel 1999 in Bad Reichenhall oder später in Kramsach in Österreich. Da hat uns der wilde Fluss einiges an Können abverlangt und dabei sind auch wir Haudegen schon ein paar mal gekentert. Solche Erlebnisse schweißen schon zusammen.“

Über einen Firmenausflug gerät Hans-Jürgen aber besonders ins Schwärmen: „Das absolute Highlight war natürlich unsere Firmenreise in die Türkei im Jahre 2001 mit gut 100 Leuten. Unvergesslich. Das Hotel war grandios und das Animation-Team hat sich einiges für uns einfallen lassen. Wir haben eine Katamaran-Tour gemacht. Es gab eine traumhafte Strandparty mit fantastischem Essen und Trinken. Nie vergessen werde ich die Show zum Abschlussabend, die wir da aufgeführt haben. Es war alles dabei – wir haben Sketche, Gesangseinlagen abgeliefert und als krönenden Abschluss haben wir noch eine ganz eigene Version vom Schwanensee-Balletts aufgeführt. Und jetzt stellt euch mal uns gut gebauten Haudegen in enger Ballettkluft und Tütü, mit Hebefiguren und allem Drum und Dran vor! Das hättet ihr sehen müssen – die Leute lagen auf dem Boden, wir haben Tränen gelacht!“
Wir hoffen natürlich, dass es davon noch irgendwo ein paar Aufnahmen gibt!

Ruhestand – und dann?

Das sind doch gute Aussichten für die Rente 😉

47,5 Jahre gehen nicht spurlos an einem vorüber. Man hat quasi sein Leben mit einem Unternehmen und im Laufe der Jahre auch mit vielen alten und neuen Teammitgliedern verbracht. Da ist es kein Wunder, dass Hans-Jürgen bei der Frage, was er in seinem wohlverdienten Ruhestand am meisten vermissen wird, wie aus der Pistole geschossen antwortet: „Die Kolleginnen und Kollegen. Die werden mir definitiv fehlen. Und natürlich auch die tägliche Routine, zur Arbeit zu gehen und was zu machen. Ich hoffe, dass ich mich daheim den ganzen Tag beschäftigen kann, sonst muss ich doch noch ab und zu in die Firma kommen!“ Nach all den Jahren hat unser dienstältester Kollege wohl nichts an Energie verloren.

Wenn er die Zeit im Ruhestand nicht mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit verbringt, möchte er noch ein Versprechen einlösen, das er seiner Ehefrau vor Jahren gegeben hat: „Meine Frau mag Schiffsreisen. Ich aber nicht so sehr. Ich gehe zwar gerne raften aufs Wasser, aber auf einem Kreuzfahrtschiff unter Deck wird mir öfter übel, was den Urlaubsspaß dann etwas trübt. Da im Alter das Gleichgewichtsorgan ja nicht mehr ganz so empfindlich ist, habe ich gesagt, dass wir das wiederholen, wenn ich mal in Rente bin.“

47,5 Jahre bei Weitblick sind eine Menge Zeit. Hans-Jürgen hat wie nur wenige im Unternehmen die Entwicklung und den Wandel der Firma Gottfried Schmidt beziehungsweise WEITBLICK GmbH & Co. KG über die Generationen live miterlebt und mit geprägt. Wir sagen DANKE für jeden einzelnen Tag und was Hans-Jürgens Ankündigung angeht, dass er doch noch ab und zu mal in der Firma vorbeikommt, können wir nur sagen: sehr gerne, wir nehmen dich beim Wort!

Danke