Skip to main content

„Was passen muss, ist die Kultur“

8. Dezember 2021

Aufmerksamen Leserinnen und Lesern unseres Jubiläumsmagazins ist sicher nicht unser vergangenes Interview mit Gesellschafterin Isabelle Ilori-King zum Thema Diversität im Arbeitsalltag entgangen. Wenn es um Vielfalt in Unternehmen geht, dann geht es nicht zwangsläufig um die ethnische Herkunft, das Geschlecht oder um die Religion von Mitarbeitenden.

Es gibt nämlich eine ebenso große Vielfalt an Facetten, die man hierbei betrachten kann: Ausbildungsstand, Berufserfahrung oder Alter sind beispielsweise nur drei weitere von vielen Attributen, mit denen Menschen ein Unternehmen auf ihre persönliche Art und Weise bereichern können – wenn man sie als Arbeitgeber denn findet. Bei einer Thematik rückt das Stichwort Diversität fast ein wenig in den Hintergrund: Fachkräftemangel.

Für Isabelle ist dies ein Thema, welches Weitblick angesichts des demographischen Wandels und sinkenden Geburtenraten in Zukunft weiter beschäftigen wird. „Der Fachkräftemangel ist in manchen Wirtschaftszweigen stärker spürbar, in anderen weniger. Insgesamt denke ich aber, dass die Verknappung insgesamt deutlich zu spüren ist.“, so die Gesellschafterin. „Man kennt diesen Mangel nicht nur aus dem MINT-Bereich, in denen die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik eine Rolle spielen, sondern vor allem auch in der Pflege oder im Handwerk. Es betrifft jedenfalls nicht allein akademische Berufe, sondern auch solche, die auf einer dualen Ausbildung basieren oder praxisorientiert sind.“

Strategien gegen den Fachkräftemangel könnten zum einen Zuwanderung sein, zum anderen aber auch Modernisierung. „Man kann sich auch fragen, welche Prozesse sich noch optimieren und digitalisieren lassen können. Das geht zwar nicht in allen Bereichen, aber das Thema Innovation gehört definitiv zu einer Strategie gegen den Fachkräftemangel“, ist Isabelle der Meinung. Bei Weitblick spüre man die Thematik auch sehr stark, in manchen Bereichen mehr, in anderen weniger.

Strategie: Attraktiv als Arbeitgeber sein

Vor allem zieht sich die Verknappung durch sehr spezifische Nischen des Berufes, die in die bekleidungstechnische Richtung gehen, aber auch das klassische IT-Problem sei nicht wegzureden. Zudem zeichne sich auch beim beruflichen Nachwuchs ein Mangel ab: Immer mehr junge Leute möchten studieren, statt den klassischen Weg einer dualen Ausbildung zu gehen. Was Weitblick konkret dagegen tun kann?

„Wir möchten über Gehaltsthemen hinaus ein attraktiver Arbeitgeber sein. Das kommunizieren wir auch über unser „TOP JOB“-Siegel und bieten verschiedenste Leistungen und Benefits für Bewerberinnen und Bewerber. Außerdem möchten wir in dieser Sache noch mehr in die Außenkommunikation gehen, sei es über die Website, über den Podcast oder auch Social Media“, erklärt Isabelle die Ansätze, um mehr Beschäftigte für das Unternehmen zu gewinnen.

Es sei aber auch möglich, in neuen Arbeitsmodellen zu denken, um beispielsweise mit einem „Jobsharing“ solche Arbeitskräfte abzuholen, die keine Kapazitäten für eine Vollzeitstelle haben, so Isabelle. Dass der Mangel mit der bevorzugten Einstellung von männlichen gegenüber weiblichen Fachkräften zusammenhängt, glaubt sie allerdings nicht. Bei Weitblick habe man laut der Gesellschafterin jedenfalls deswegen keinen Mangel an Personal.

„Bevor man eine Stelle nicht besetzen kann, nimmt man am Ende die Person, die sich darauf beworben hat und zum Unternehmen passt – egal ob männlich, weiblich oder divers. Ich kann aber natürlich nur aus meiner Position und Branche heraus sprechen.“ Für Isabelle könnten unterschiedliche Einstiegsmodelle die Chancen auf Fachkräfte erhöhen. Die gebe es auch bei Weitblick – von Angeboten für Leute, die gerade von der Schule kommen und ihre Ausbildung beziehungsweise ihr Studium beginnen möchten über Junior-Positionen bis hin zu solchen, in denen man mehr Verantwortung trägt.

Isabelle Ilori-King

„In gewisser Art und Weise differenzieren wir vielleicht, was den Ausbildungsgrad angeht. Es ist aber nicht so, dass wir unterscheiden zwischen Personen, die studiert haben und Quereinsteigenden, die dasselbe Fachwissen mitbringen. Das kommunizieren wir auch so in unseren Stellenanzeigen“, wie sie sagt. Was das Alter von Bewerberinnen und Bewerber betrifft, hat Isabelle eine klare Haltung: „Wir geben allen eine Chance. Wir machen keinen Unterschied, bloß, weil jemand etwas älter oder jünger ist. Leider betrachten einige Unternehmen das Alter als Negativpunkt. Das sehen wir völlig anders. Wir haben bei uns im Haus viele ältere Personen im Team, die so tolle und wertvolle Arbeit leisten und eine Menge Wissen mitbringen. Wären die nicht da, würde definitiv etwas fehlen.“

An speziellen Arbeitsmodellen für ältere Beschäftigte – beispielsweise Altersteilzeit – gab es bei Weitblick noch keinen Bedarf, weil schlichtweg noch nicht danach gefragt wurde. „Wir beschäftigen uns allerdings bereits damit, weil wir wissen, dass das Thema bald auf uns zukommen wird. Da gibt’s viele denkbare Modelle, zum Beispiel mit diversen Zuschüssen, mit reduzierter Arbeitszeit, als Minijob und so weiter. Da sind wir sehr offen, aber wir freuen uns mehr darüber, jemanden länger da haben zu können, als dass er oder sie schnell weg ist.“, so Isabelle.

Unterschiedliche Altersgruppen – unterschiedliche Perspektiven im Team

Eine größere Altersspanne sieht sie vor allem als Chance: „Ich bin der Meinung, dass es immer einen Vorteil hat, wenn man gemischte Teams hat. Unsere persönliche Erfahrung ist: Man kann voneinander lernen, man hat einen super Wissenstransfer und dadurch auch eine gesteigerte Produktivität. Weil wir ein Unternehmen sind, das lange existiert, tragen unsere langjährigen Mitarbeiter einen großen Wissensschatz mit sich.

Das ist in Startups vielleicht anders, aber so kann man von den Erfahrungen der Menschen profitieren, die länger im Berufsleben stehen. Was passen muss, ist die Kultur.“ Damit meint sie insbesondere, dass im Unternehmen alle Meinungen gehört werden und die Leute einbezogen, mitgenommen und geschult werden – etwa wenn man als ältere Person Probleme mit digitalen Tools hat. „Ich habe auch das Gefühl, dass es bei uns trotz oder vielleicht eher aufgrund gemischter Altersgruppen einen guten Zusammenhalt in den Teams gibt. Es wird geschätzt, dass unterschiedliche Altersgruppen auch unterschiedliche Erfahrungsstufen mit sich bringen, ebenso wie unterschiedliche Sichtweisen“, bringt Isabelle auf den Punkt.

Damit Jung und Alt gleichermaßen auf dem Unternehmensweg mitgenommen werden können, müsse es immer einen offenen Raum für Anmerkungen, Kritik und andere Themen geben. Menschen aufgrund ihres geringen oder hohen Alters Kompetenz abzusprechen, sei ein No-Go. Stattdessen sollen sich alle mit ihren Fähigkeiten einbringen können. „Wie groß die Vielfalt hier ist, haben wir gerade jetzt im Jubiläumsjahr sehen können, in welchem wir noch einmal viele historische Momente aufgearbeitet und Altes hervorgeholt haben. So konnte jeder ein klein wenig miterleben, wie die Zeiten früher waren und die langjährigen Beschäftigten haben sich sehr über diese Wertschätzung gefreut.“

Die Herausforderungen auf dem Jobmarkt liegen allerdings nicht nur auf der Seite des höheren Alters, denn wie bereits erwähnt entscheiden sich immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene für ein Studium statt für eine Ausbildung. Dass viele junge Menschen studieren möchten, sei auch bei Weitblick zu spüren – sei es direkt nach der Ausbildung oder bereits als Einstieg ins Berufsleben.

Als Familienunternehmen achtet man auf Familienorientierung

„Wir möchten den Ausbildungsberuf weiterhin aufrechterhalten und fördern, und zwar auch, indem wir uns immer darüber informieren, welche neuen, spannenden Ausbildungsberufe es gibt. Vor allem aber müssen wir uns fragen, wie wir als Unternehmen die Ausbildung attraktiv machen können. Nicht im Sinne, Azubis als kleinstes Glied der Kette zu betrachten, sondern dass man sie fordern kann, dass sie Verantwortung tragen, an Projekten arbeiten, wechselnde Aufgaben bekommen und aktiv mitwirken. Ob sich der Trend damit umkehren lässt, weiß ich nicht, ich würde es aber toll finden, wenn es weiterhin sowohl Studierende als auch Auszubildende gibt“, beschreibt Isabelle die Maßnahmen bei Weitblick, die jüngeren Köpfe von sich zu überzeugen.

Claus Schmidt, Isabelle Ilori-King & Felix Blumenauer

Fragt man die Gesellschafterin, wie sich die Altersstruktur in Unternehmen und generell in puncto Fachkräftemangel entwickeln wird, hat sie ebenfalls eine konkrete Vorstellung: „Ich denke, dass uns beides weiter herausfordern wird. Wir werden als Unternehmen ständig neue und immer kreativere Wege finden müssen, um Menschen für uns zu gewinnen, und zwar solche, die langfristig bei uns mitarbeiten möchten. Wir werden, vor allem, weil wir ein Familienunternehmen sind, auch umso mehr auf Familienorientierung eingehen – und das gar nicht unbedingt ausschließlich in Richtung Familie und Kind, sondern eben auch, was Pflege betrifft. Das wird ein größeres Thema sein, denn die Gesellschaft wird älter und da werden die Menschen auch mehr Pflegebedürftige im Verwandtschaftskreis haben.“

Die Lösungen für diejenigen, die sich neben der Arbeit noch um ihre Eltern oder Großeltern kümmern, können ganz unterschiedlich aussehen und dabei doch jetzigen Modellen ganz ähnlich sein. Etwa ganz so, wie es heute „Kind-krank-Tage“ gibt, könnte es möglicherweise Pflegetage, eine Pflegezeit oder dahingehend finanzielle Unterstützung geben, glaubt Isabelle. Für Weitblick sei diese Angelegenheit wichtig, weshalb man sich intensiv damit auseinandergesetzt habe und im nächsten Schritt hierzu demnächst ein Konzept intern kommunizieren möchte.

Dass man in Sachen Familienorientierung nicht nur den Nachwuchs, sondern auch die älteren Menschen aus dem Familienumfeld des Teams mit einbezieht, habe auch etwas mit der Flexibilität zu tun, die Weitblick als Arbeitgeber biete, was den Arbeitsort und die Arbeitsweise angeht, wie Isabelle sagt. „Wir wollen noch mehr Angebote dazu schaffen, damit es für unsere Beschäftigten weiter möglich und gesund ist, so zu arbeiten, wie es ihnen passt. Davor darf man als Unternehmen auf keinen Fall die Augen verschließen. Man muss Lösungen dafür liefern.“